13. August 2008

Am Teich

“Ja mei, so a Idylle”, vermerkt eine des Weges kommende Radlerin zu ihrem Begleiter.
Ich vermute, meine Anwesenheit mit Skizzenblock hat sie zu solcher Schwelgerei verleitet; Sonnenuntergänge an im freien Gelände liegenden bayerischen Froschteichen gibt es schließlich jeden Tag.

Den Gedankengang zur Idylle eliminiere ich auf der Stelle. Auch wenn es nicht so aussieht, aber ich habe hier alle Hände voll zu tun. Schnellschnell!

Denn pünktlich wie die Sonne selbst sinken auch die Schatten, zum Glück mit einer Geschwindigkeit von nur etwa 1666 Stundenkilometern. Routiniert legen sie sich über das Wiesenstück; ihre dunklen Zungen lecken alles auf, was eben noch im Licht flimmerte und gleißte. Die Seerosenblätter ihrerseits lassen sich nicht lumpen. Launisch dümpeln sie gen Nordosten, wo unverdrossene kleine Winde die Oberfläche des Wassers kämmen, mal mit dem Strich, mal gegen ihn. Oder war das eine Forelle? Kaum schaue ich wieder hin, sieht alles anders aus. Trübe glotzt der Teich zurück. Er blubbert ein bißchen. Ein Frosch antwortet. Ringsherum zirpen die Grillen um die Wette. Die Erde wirbelt in die Nacht hinein, quirlige Planeten mischen den Himmel auf, Quanten hüpfen und springen, nichts ist wie es mal war.

Was man hier nicht sieht, sind Bremsen. Sie hausen in den getrockneten Kuhfladen, mit denen die Wiese gepflastert ist. Tritt man auf einen, hat man erstens einen guten Grund, zweitens seine Schritte beim Wettlauf sorgfältiger zu plazieren.

Was man drittens nicht sieht, sind Störche im Gleitflug, die Rücken einer Kuh-Gesellschaft, die Achterbahnkurven der Schwalben, Grashüpfer in feschen grünen Anzügen, den hellen Sand auf einem schnurgeraden Feldweg, die Brennesseln im dunklen Schilf, die Spree und patsch! da war schon wieder eine.

Wer an einem Feldweg sitzt und zeichnet, ist vor Überraschungen nie sicher. Das gleiche gilt natürlich für alle anderen, die ihn benutzen.
Da tuckert etwa der Bauer Anton auf seiner Zugmaschine heran. Ich nicke zurück. Kurz darauf biegt der Nachbar Müller, ebenfalls auf dem Traktor, um die gleiche Kurve. Er schaltet in den Kriechgang, während er sich schier den Hals verrenkt. Ich halte die Zeichenmappe hoch. “Schaut ja scho guat aus”, ruft er, ohne anzuhalten, aus dem Geknatter heraus. Er grinst, schaltet wieder hoch und gibt Gas.
Einer aus dem Trupp der Sportsfreunde, die zielgerade in einen Sack-Feldweg geradelt waren, ruft mir beim Wenden frech zu: “Wir wollten nur mit aufs Bild kommen!”
Ein Hase bleibt auf dem Weg hocken. Bussarde kreisen über mir, und im Unkraut zu meinen Füßen finden die reinsten olympischen Spiele statt.
Für weitere Studien stelle ich mir Autobahnraststätten, U-Bahnhöfe, Fußgängertunnel, Einkaufspassagen und ähnlich zivilisierte Plätze vor. Die Idylle kann ich dann schon selbst mitbringen.