20. August 2007
Birnensymphonie
Ende August fallen die Birnen im Minutentakt; Tag und Nacht erklingen Autodach, Stadelschrott, Mörteleimer, Bretterstapel, Brennesselgestrüpp, Asphalt und Wiese - eben soweit der Trommelstock reicht.
Dong! Es ist Erntezeit. Ding! War nicht ein Ölwechsel fällig? Buff! Die Straße muß dringend gekehrt werden. Blong! Wann wird die Schneeglöckchen-Oma auf ihrem Zweizylinder zur alljährlich fälligen Birnen-Inspektion antuckern?
Auf der Straße bildet sich eine Kruste festgefahrener Birnen, die in der Hitze backt; im Rinnstein gärt der Matsch. Wespen, Bienen und Hornissen liegen betrunken auf dem Rücken. Schwärme von Drosseln ziehen marodierend durch die Gärten. Wenn sie einfallen, setzt der Birnbaum zum Prestissimo an; er schwirrt, kreischt, zwitschert, flötet; er lallt im schweren Rausch. Zum Auftakt des Vivace klatsche ich in die Hände.
Das Finale hingegen ist nur ein unpathethischer kleiner Seufzer, den man leicht verpennt.
Pflopp.
3. Juni 2007
Im Apfelland
Willkommen im Apfelland - und nein, hier wird nichts verkauft.
Das Apfelland befindet sich hinter dem Stadel. Zum Stadel gelangt man, wenn man nach dem Maibaum links abbiegt und sich dann Richtung Birnbaum hält. Der ist so groß, daß schon Schulklassen davor stehengeblieben sind. “Das”, hört man dann die Lehrerin dozieren, “ist ein Birnbaum!” - Ausrufezeichen.
Im Apfelland steht ein ebenso großer Birnbaum, dazu mehrere Apfelbäume, ein Zwetschgenbaum und ein zweiter, kleinerer Birnbaum mit den süssesten, saftigsten Früchten, die wohl je ein Birnbaum zu produzieren instande sein wird.
Das Apfelland ist ein Ort vieler Geschichten. Hier, im Schatten des großen Birnbaums, hockt sperrig ein VW-Bus. Angeblich hat er in besseren Zeiten als Bienenhaus gedient. Mit sorglosen Händen arbeitet die Zeit daran, seine Überreste mit dem nicht minder löchrigen Kaninchenbau, der einst unter den Felgen gegraben wurde, zu vereinen. Das kann noch dauern.
Hier wurden Zelte aufgestellt, Lagerfeuer entzündet, Lieder zum Sternenhimmel gesungen; angeheiterte Teenager kotzten in die Holunderbüsche; es wurden Gedichte in die Tastatur gehackt; es wurden Früchte geerntet; es wurde nichts getan. Unmögliches erschien möglich, während das Mögliche selbst sich beschränkt gab; forderte es doch ein, sich den dem Apfelland zutiefst eigenen Abläufen ganz widerstandslos zu ergeben. Über alledem wuchs unverdrossen das Gras, wie auch das Unkraut der Gedanken.