28. März 2008

Alles weiß

Schneestürme finden hier ohne großes Heulen und Zähneklappern statt; man hört nichts als stundenlanges, stetes Rieseln. Das sind die Schneeflocken. Ihre kriegerische Natur zeigt sich im Resultat: Notstand wird ausgerufen; rotbackige Nachbarn räumen Schnee, anstatt im Büro zu hocken; die Schulen schließen; und so weiter.
Aus dem Material, welches der Spaßvogel Winter über Nacht so verschwenderisch ausgekippt hat, könnte ich eine ganze Armee aus Schneemännern bauen, Legionen blendend weißer Prachtburschen, alle mit Stöcken und Besenstielen bewaffnet. Die schicke ich dann in den Wahlkampf. New York kann derzeit bestimmt ganz gut ein paar echte Saubermänner gebrauchen.
Nach ein, zwei sonnigen Tagen wäre der Spuk allerdings wieder ganz schnell vorbei.

10. Februar 2008

Europa, du Glorreiche

Ich stehe an der Bushaltestelle in Bath. Der einsetzende Nieselregen malt feine, sich kreuzende Linien in die Wasserlachen.

Über New York wird wahrscheinlich mehr berichtet als über das hinterländische Bath, deshalb überspringe ich das Kapitel ‘Mit dem Shortline-Bus nach New York und zurück’. Shortline kann hier jeder selbst googeln. Ich will mich auch nicht über Manhattans Last-Minute-Wahlkampanien verlieren, noch abschweifen, indem ich über die 300 Straßenkehrer schreibe, welche nach der Riesen-Sieger-Parade 36,5 Tonnen Konfetti zusammenfegten, obwohl sie das verdient hätten; geschweige denn über die akustischen Schrullen eines Brooklyner Heizkörpers. New York City ist ein Heuhaufen von ungefähr 206 Millionen Suchergebnissen, was wollte ich eigentlich sagen?

Eine Bö kickt den aufgespannten Regenschirm, den jemand im Eingang der Reinigung abgestellt hat, in die Seite; jetzt tanzt er über den Gehweg.
Die Reinigung befindet sich gleich neben der Bushaltestelle. Diese ist eigentlich eine Tankstelle, aber mit so viel Drum und Dran ausgestattet wie fast alles hierzulande. Man erhält Bustickets, heißen Kaffee, Zeitschriften, Lotterielose. Die Leute kommen zum Ratschen, wie zum Beispiel Joey, ein junger Schwarzer, den ich hier nur so nenne, weil ich nicht weiß, wie er in Wirklichkeit heißt.
“Hallo, wie geht’s”, sagt er im Vorbeischlendern.
“Wunderbar”, sage ich. Gerade habe ich den nassen Schirm eingefangen und wieder in den überdachten Eingang gestellt, unter dem auch ich Schutz suche. Ich warte darauf, abgeholt zu werden. In einem Nest wie Bath fällt man als Fremder auf, vor allem, wenn man länger als fünf Minuten im Regen steht.
“Ist das dein Schirm?” fragt Joey.
Ich habe bisher nur wenige Schwarze in Bath gesehen, und noch nie hat mich ein Bather angesprochen.
“Nein”, sage ich, “er gehört dem Wind!”
Joey hat keine Lust weiterzugehen. Die Straße ist bis hinter zur letzten Kreuzung von parkenden Autos gesäumt, aber die hat er alle schon auf dem Herweg studiert.
“Kann ich dich vielleicht irgendwohin einladen?” fragt er.
“Nein danke, wirklich nicht, ich werde gleich abgeholt”, sage ich.
“Ich kann dich ja nach Hause fahren”, bietet Joey an. “Das mache ich gerne!” Sein Blick schweift über meine Figur. Ich muß lachen. Ich könnte locker seine Urgroßtante sein!
“Nein, die kommen sicher jeden Moment”, sage ich.
“Wo kommst du eigentlich her? Du hast so einen komischen Akzent!” fragt Joey.
“Aus Europa.”
Joey grinst noch breiter. Er tänzelt ein paar Schritte rückwärts und wirft dabei die Arme hoch.
“Ich hab’s gewußt”, ruft er, “ich hab’s gewußt! Aus Europa! Aus Europa! Ja! Ja!! Jaaa!!!”
Sein Team hat gewonnen, absolut.
Meines auch! Es heißt Bath, hier ist ein kleiner Link zum Abschied.